Anwendungsverbot für Pestizide könnte in den Niederlanden Umweltkatastrophe verhindern

Wasserqualität durch Pestizide völlig ruiniert

Der Hauptwirtschaftsfaktor der Niederlande ist der Agrarbereich. Blumenzwiebeln, Blumen und Gemüse aus Holland werden in alle Welt verschickt. Ein neuer Bericht über die Wasserqualität des Landes brachte zu Tage, dass der Einsatz von Pestiziden und Düngemitteln in mehreren Regionen sofortiges Handeln erfordert. Die harten Fakten, die Professor Geert De Snoo von der Universität Leiden erarbeitet hat, lassen nicht viel Spielraum. Die intensive Bewirtschaftung der Regionen Waterland, Delfland, Rheinland und Bommlerwaard haben durch die dabei eingesetzten Pestizide und Düngemittel das Wasser von Gräben und Kanälen stark verseucht. Welche Auswirkungen dies mittelfristig haben kann, wird deutlich, wenn man realisiert, dass die Wasseroberfläche in diesen Regionen ein riesiges Ökosystem darstellt und alleine die Gesamtlänge der Gräben, welche die Felder in der Region Waterland durchziehen, das Neunfache des Erdumfangs beträgt.

Der niederländische Wissenschaftler hält ein temporäres Anwendungsverbot für Pestizide und weitere tiefgreifende Maßnahmen für dringend erforderlich, damit sich Wasserstraßen, Gräben und Schleusen erholen können. Die meisten, der in Verwendung befindlichen Pestizide gefährden und schädigen auch die Gesundheit des Menschen erheblich. Viele der rund 760 in den Niederlanden im Einsatz befindlichen Pestizide sind u.a. genschädigend, krebserregend, neurotoxisch und schädigen das Immunsystem.

Gewässerverschmutzung hat bedenkliche Ausmaße angenommen

Die Gräben und Kanäle in den Niederlanden erfüllen viele Funktionen. Sie halten das Land in regenreichen Perioden trocken und bewässern es in trockenen Zeiten. Sie dienen der Wasserversorgung für die Viehwirtschaft und Bewässerung von Feldern, sind wichtig für den Tourismus, die Fischerei, die Schifffahrt und als Brauchwasser. Verschmutzt wird das Wasser in erster Linie durch den Einsatz von Pestiziden und Düngemitteln in den intensivlandwirtschaftlichen Gebieten, sowie durch den Eintrag von Tierarzneimitteln in den Regionen, in denen bspw. Hühnerfarmern zuhause sind. Weil die Gräben und Kanäle in den Niederlanden ein Wassernetz darstellen, sind sie anfällig für Verschmutzung durch Pestizide und Düngemittel. In den Regionen in denen Blumen, Blumenzwiebeln, Kartoffeln, Mais, Spinat oder Petersilie angepflanzt werden, ist der Einsatz von verschiedenen Pestiziden und Düngemitteln besonders hoch und hat nun zu einem Umweltproblem von enormem Ausmaß geführt.

Pestizide – Gifte, die neben Nutzen große Probleme schaffen

In den Niederlanden gibt es im Vergleich zu anderen europäischen Ländern sehr strenge Gesetze, um die Gewässer zu schützen. Rund 760 Pestizide sind in den Niederlanden im Einsatz. Landläufig wird vermutet, dass die Pestizide hauptsächlich versprüht werden, dem ist nicht so. Weil durch die Drift beim Versprühen von Pestiziden die Umwelt erheblich belastet wird und relativ wenig Wirkstoff am Zielort Pflanze ankommt, verwendet man seit einiger Zeit häufiger Pestizide in Garnulatform und behandelt die Samen direkt mit den Giften. Blumenzwiebeln, die einen großen Wirtschaftszweig in Holland darstellen, werden in Pestizide getaucht. Diese Pestizide reichern sich in Umwelt und Gewässern an und führen zu rasch zunehmenden Problemen.

Doch nicht nur die Darreichungsformen der Pestizide und Düngemittel stellen einen enormen Problemfaktor dar, es sind auch die Kombinationswirkungen der Gifte untereinander, die zwangläufig eintreten, wenn verschiedene Gifte aufeinandertreffen und sich gegenseitig in ihrer Wirkung verstärken. Solche Pestizid-Cocktails sind nicht abschätzbar. Eine Analyse solcher Giftcocktails ist weder bezahlbar noch macht es viel Sinn, denn gerade in diesen wasserreichen Gebieten muss an jeder Ecke mit dem Zusammenspiel verschiedenster Chemikalien gerechnet werden, die sich gegenseitig in ihrer Wirkung potenzieren können.

Pestizide verschlechtern Wasserqualität dramatisch

Wird der intensiven Verwendung von Pestiziden, Düngemitteln und dem Eintrag von Tierarzneimitteln kein Einhalt geboten, könnte dies für die Regionen in den Niederlanden, in denen intensiver Anbau von Gemüse, Blumen und Zucht von Blumenzwiebeln erfolgt, unabsehbare Folgen haben. Auf das Wasser aus den Gräben und Kanälen sind diese Gebiete ausweglos angewiesen. Es bleibt somit nur die Möglichkeit, der zunehmenden Ausbringung der Pestizide Einhalt zu gebieten und sofortige Maßnahmen zum Schutz der Gewässer einzuleiten. 42kg Chemikalien pro Hektar Land verwendet ein Züchter von Blumenzwiebel jährlich, im Gegensatz zu 7kg an Pestiziden pro Hektar, die ein normaler Landwirt im Durchschnitt im Jahr verwendet.

Anwendungsverbot für Pestizide, Erweiterung von Schutzzonen

Der Bericht der Universität Leiden über die sich verringernde Wasserqualität bedingt durch Pestizide, bietet auch konkrete Lösungsvorschläge für die stark belasteten Regionen. Die niederländischen Wissenschaftler schlagen erweiterte Pufferzonen vor. 2001 hatte man an Ufern in landwirtschaftlichen Gebieten bereits solche Schutzzonen eingerichtet, was die Wasserqualität der Kanäle um 70% verbessert hat. Später stagnierte diese Verbesserung der Wasserqualität, was Prof. De Snoo hauptsächlich dem Einsatz von Pestiziden in Granulatform und dem Anbau von Blumenzwiebeln zuschreibt, die in Pestizide getaucht werden.

Für die gefährdeten Gebiete, in denen die strengen niederländischen Referenzwerte für Pestizide drastisch überschritten werden, sieht der Wissenschaftler nur in einem temporären Anwendungsverbot für Pestizide eine Chance, um die Qualität der Gewässer wieder zu verbessern. Die Zahlen, die der Wissenschaftler gegenüber den niederländischen Medien nennt, sprechen für eine rasche Umsetzung eines solchen Anwendungsverbots für Pestizide und Fungizide. Wenn auch nur ein Prozent der landwirtschaftlichen Fläche, die heute ein großes Problem darstellt, bereinigt würde, würde dies ein Vorteil von 45% für die Umwelt bedeuten. Auch ein Verbot bestimmter, besonders schädlicher Pestizide für die Problemgebiete wird angedacht. Zwar würde für diese Pestizide kein allgemeines Anwendungsverbot erteilt, aber in den Teilen des Landes, in denen sie die Gewässer verseucht haben, würden sie für einen gewissen Zeitraum nicht mehr eingesetzt werden dürfen.

Präventive Massnahmen

Um die Qualität der Gewässer in den Agrarregionen zukünftig wieder zu stabilisieren und eine völlige Umweltkatastrophe zu verhindern, werden im Bericht der Universität Leiden über die Wasserqualität in Bezug auf Pestizide weitere Maßnahmen vorgeschlagen. Die Uferzonen entlang der Gräben und Kanale, wo Pestizide bereits nicht mehr versprüht werden dürfen, müssen verbreitert werden, fordern die besorgten Wissenschaftler.

Die Spritzdüsen zum Ausbringen von Pestiziden haben die Wissenschaftler ebenfalls im Auge. Hier sehen sie ein beachtliches Potential, um der Verseuchung der Gewässer entgegenzutreten. Eine Verringerung des Giftausstoßes um 50% sollte sofort erfolgen. Im nächsten Schritt solle die Menge der Pestizide, die durch die Düsen freigesetzt werden, um 90% reduziert werden. Es gibt zwar auch jetzt schon strenge Regelungen, doch viele Bauern halten sich einfach nicht daran, womit sie die Gewässer ihres Landes und deren Sedimente gefährden und verseuchen.

Die Wissenschaftler halten auch Entschädigungen der Bauern für eine Option, über die nachgedacht werden sollte. Eine eineinhalb Meter breite Schutzzone entlang von Ufern hätte eine sehr positive Auswirkung für die Ökologie. Der Staat und die EU wären gefragt, um Bauern und Viehzüchter in einer Aussetzung der Nutzung dieser Bereich zu unterstützen und zu entschädigen.

Wird eine Umweltkatastrophe verhindert?

Es ist 50 Jahre her, seit die amerikanische Wissenschaftlerin Rachel Carson auf die Gefahren von Pestiziden für Mensch, Tier und Umwelt in ihrem weltbekannten Buch „Der stumme Frühling“ hinwies. Der dramatische Bericht von Professor Geert De Snoo und seinen Kollegen lässt nicht viel Handlungsspielraum für die Niederlande. Wenn umgehend gehandelt wird, kann möglicherweise eine völlige Umweltkatastrophe abgewendet werden. Sollte sich die Pestizid-Industrie und ihre Lobbyvertreter in diesem aktuellen Fall in den Niederlanden jedoch durchsetzen und die dortigen Land- und Viehwirte weiter uneinsichtig bleiben, ist jeder realistischen Einschätzung nach in wenigen Jahren mit einem Umweltkatastrophe zu rechnen, dass dem kleinen Land und der Gesundheit seiner Bevölkerung einen nicht kalkulierbaren Schaden zufügen wird.

Autor: Silvia K. Müller, CSN – Chemical Sensitivity Network, 11. Juli 2012

Literatur:


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