Frohe Weihnachten, Merry Christmas

Ein Weihnachtengel zu Besuch

Irgendwie stellte sich dieses Jahr bei mir keine Weihnachtsstimmung ein. Das Wetter mag eine Rolle gespielt haben, es war eher novemberartig als vorweihnachtlich. Vielleicht war es auch die Hektik, das ganze Jahr ist wie im Fluge vergangen. Während ich darüber nachdenke, höre ich ein helles Glöckchenklingeln. Schnell schaue ich zum Fenster, und im gleichen Augenblick ist alles in Silber getaucht. Sternchen schwirren durch die Luft und schwups steht ein Engel auf meiner Fensterbank. Ob mich das verwundert? Oh nein, ich kenne den Weihnachtsengel, er war bereits zweimal bei mir. Schnell öffne ich das Fenster und kaum geschehen, ist mein ganzes Büro erfüllt mit silbernen Sternen.

„Hallo“, haucht der Engel etwas atemlos, „endlich habe ich Dich gefunden. Mir hat wieder einmal keiner gesagt, dass Du umgezogen bist. Nichts klappt mehr richtig.“ Der Engel streicht sich über die Flügel und kommt, sich umschauend, langsam zu Ruhe. „Hallo, lieber Weihnachtsengel, welche Freude, Dich wiederzusehen“, begrüße ich ihn und bemerke, dass er irgendwie noch prächtiger aussieht als beim letzten Besuch. Vielleicht kommt es mir auch nur so vor, weil ich mich riesig freue. „Magst Du nicht Platz nehmen, lieber Engel, und etwas trinken?“ Der Engel nickt mit dem Kopf und setzt sich in den Sessel, der im Nu von feinem silbernen Sternenstaub überdeckt ist. Dann schaut er sich um und raunt mir zu: „ Oh ja, eine heiße Tasse Schokolade, das wäre einfach himmlisch. Nur in Eile bin ich, das ist nicht gut für die Gesundheit. Die Suche nach Dir hat mich viel Kraft gekostet, aber jetzt bin ich da und nehme mir die Zeit, über das mit Dir zu sprechen, was in diesem Jahr bei Dir passiert ist. Außerdem will ich mit Dir reden, denn was sich so abspielt in dieser Welt verstehe ich nicht ganz, dabei musst Du mir auf die Sprünge helfen.“

„Erst einmal ausruhen, lieber Engel, und die heiße Schokolade genießen, dann reden wir über Alles“, rufe ich ihm bei hinaushuschen zu. Der Engel schließt seine Augen und entspannt sich.Es fühlt sich richtig gut an, den Engel wieder hier zu haben, denke ich beim Zubereiten seines Getränks. Automatisch überlege ich, ob nun Sahne auf die heiße Schokolade darf oder nicht. Dann muss ich lachen und gebe eine große Portion auf die lecker duftende heiße Schokolade. „Was hast Du so gelacht“ fragt der Engel, der plötzlich wieder putzmunter aussieht. „Ob Du Allergien hast und ob Sahne wohl in Ordnung ist für Dich“, lasse ich ihn wissen. Der Engel lacht nun ebenfalls und entgegnet: „Seit wann haben Engel Allergien? Ich glaube, Du bist arg im Stress und hörst kaum etwas Anderes, kann das sein? Engel und Allergien pfff, “ kichert der Weihnachtsengel vor sich hin. „Ja, das stimmt, deshalb tut es mir jetzt gut, mit Dir hier zu sitzen und einfach einmal zu lachen. Weißt Du, lieber Engel, es sind immer mehr Menschen und vor allem Kinder, die unter Allergien aller Art leiden. Am Traurigsten sind die dran, die bereits auf Chemikalien oder noch schlimmer auf  Strahlung reagieren. Was diese Menschen zum Teil mitmachen müssen, ist unbeschreiblich. Verstehen will sie keiner, es würde zum Handeln zwingen.“

Der Engel seufzt tief und schaut mich mit bekümmertem Gesicht an. „Trotzdem kann es so nicht weitergehen. Das Wegschauen nützt doch nichts. Schau nach draußen, kein Schnee, und auch sonst ist alles etwas merkwürdig. Wir wundern uns oft über die Menschen, Dir kann ich es ja sagen. Ihr redet und redet und redet vom Klima, von Umweltverschmutzung,… aber was ändert Ihr? Fast nichts! Es geht Euch immer noch um Profit, Märkte, Konsum. An eure Umwelt denkt ihr nur in kleinen Schritten, viel zu kleinen Schritten, “ sagt nun der wütende Engel. „Ja, ich weiß, “ kann ich nur entgegnen. „Das Schlimmste dabei ist die Bagatellisierung zum Schutz von irgendwelchen Interessengruppen. Eine Verhöhnung der Umstände und der Menschen, die es schon erwischt hat.“

„So ist es, und dann sitzt Ihr hier wie Du mit Deiner Maschine, die saubere Luft produziert und die klingt wie der Nordwind.“ Ich lache und der Engel stimmt ein. „Ach lieber Engel, Du hast recht, es ist schon merkwürdig. Den Luftfilter brauche ich noch immer. Du siehst ja, das Papier wird nicht weniger. Obwohl mein neues Büro hier Lehm an den Wänden hat und Holz auf dem Boden, wird die Luft für mich problematisch durch den ganzen Papierkram.“

Der Engel wandert im Büro umher, schaut sich interessiert um und sieht mir in die Augen. „Habt Ihr Chemikaliensensiblen etwas erreicht dieses Jahr? Ist es besser geworden für Euch? Ich meine, wenn ich hier Deine ganze Arbeit sehe, dann sieht es doch so aus, als würde einiges vorangehen.“ Langsam lässt er sich in den Sessel gleiten, nimmt seine Tasse und genießt mit geschlossenen Augen ein paar Schlückchen seiner heißen Schokolade. „Nun erzähl schon, spann mich nicht auf die Folter“, sagt der Engel mit zwinkernden Augen. „Das Wichtigste, was passiert ist, ist, dass sich immer mehr Menschen auf die Suche nach Informationen begeben, Selbsthilfegruppen gründen und sich immer effektiver vernetzen. Sie bleiben nicht mehr passiv in der Ecke sitzen, sie wollen gesünder werden, und dafür kämpfen sie. Für sie ist es nicht mehr länger akzeptabel, ins Abseits gestellt zu werden. Stell Dir vor, in Italien und in der Schweiz gingen Chemikaliensensible sogar vor das Regierungsgebäude und sprachen die Minister an.“

Der Engel sieht mich mit großen Augen an und meint „Gut, gut, dann passiert wirklich langsam etwas. Es wird auch Zeit, dass die Menschen aufwachen. Was gibt es Wichtigeres als die Gesundheit? Wo können die Leute denn Informationen herbekommen?“ „Es gibt unglaublich viele Möglichkeiten. Immer mehr Menschen schauen sich im Internet um, wenn sie etwas Bestimmtes wissen möchten. Andere nehmen Kontakt zu Selbsthilfegruppen auf, lesen Bücher und Infobroschüren, oder sie gehen auf medizinische Kongresse. All das ist auch ein Nebeneffekt der Gesundheitsreform und weil kaum noch ein Arzt Zeit hat für seine Patienten. Dadurch übernehmen die Leute mehr Eigeninitiative. Das Austauschen von Wissen untereinander bringt ihnen viel und gibt Rückhalt.“ Der Weihnachtsengel nickt zustimmend und stellt seine Tasse nieder,

„Ja, das hört sich gut an. Es schaut wirklich so aus, als hätte ein Umdenkprozess stattgefunden. Manchmal gefällt mir eure neue Technik richtig gut, wenn man so hört, wie sich Menschen dadurch verbinden und sich dann gegenseitig helfen. Ihr müsst nur aufpassen, dass sie Euch nicht schadet. Zuviel ist ungesund, das ist bekannt, und niemand muss dringend mit dem Handy von überall telefonieren oder oben in den Bergen mit dem Computer arbeiten. Das ist Quatsch und das braucht keiner.“ „Du hast Recht, wo es unnötig ist, ist es unnötig. Gut, dass es auch dazu Menschen gibt, die aufstehen und auf die Gefahren hinweisen. Das sind keine Zukunftsverweigerer, die uns den Fortschritt vermiesen wollen, sondern Menschen, die geschädigt wurden. Nicht selten werden sie aus ihrer Not heraus zu richtigen Experten. Sie sind dann oft die einzige Rettung für viele andere, denen es ähnlich geht.“ Der Engel nickt und meint. „Genau, wenn ich das höre von Dir, dann ist mir wohler. Ich sehe jetzt, dass Ihr Menschen wach werdet. Es beruhigt mich etwas, denn wir Engel sind oft erschöpft, weil wir ständig auf Euch aufpassen müssen.“ sagt der Weihnachtsengel im Aufstehen. „Was nicht heißen soll, dass wir nicht da sind, wenn Ihr uns braucht. Du weißt ja, Ihr liegt uns sehr am Herzen, sage das auch Deinen Leuten. Und noch etwas, wir Weihnachtsengel haben auch Wünsche frei, wusstest Du das? Ich wünsche mir für nächstes Jahr, dass es für Euch Leute mit Allergien und Umweltkrankheiten viel Hilfe gibt und dass aufgehört wird, Euch hinzustellen, als würdet Ihr Euch alles einbilden. Warte ab, wenn wir Engel uns etwas wünschen…, „raunt mir der Weihnachtsengel überzeugend zu, „dann passiert etwas Gutes. Jetzt muss ich mich sputen, es steht noch viel auf meinem Zettel, was ich erledigen muss. Sag Deinen Leuten frohe Weihnachten von mir, und es wird alles gut werden.

Der Engel steht schon am Fenster, dreht sich noch einmal um und umarmt mich mit seinen silbernen Flügeln. Plötzlich sind wir beide in glitzernden Sternenstaub gehüllt und alles leuchtet silbern. Noch einmal streicht mir der Engel über den Kopf und dann sehe ich ihn nur noch davonfliegen durch den winterlichen Abendhimmel. Noch einmal glänzen seine Flügel in der roten Abendsonne auf, dann ist er verschwunden. Ich schließe das Fenster und merke, mir ist ganz wohlig ums Herz, jetzt ist Weihnachten.

Autor:  Silvia K. Müller, Dezember 2007


Ein Kommentar zu “Frohe Weihnachten, Merry Christmas”

  1. Daniel 24. Dezember 2007 um 00:11

    Danke für diese ideenreiche Weihnachtsgeschichte, in die Du Weihnachten und die Problematik von MCS, wunderbar eingebunden hast und zugleich Weihnachtsstimmung verbreitest.

    Ich wünsche Dir und allen, frohe Weihnachten und ein glückliches 2008!

Kommentar abgeben: