Zwölf Uhr mittags oder in Texas wird knallhart abgerechnet

Wer sich in den Tagen des Wilden Westens in Texas daneben benahm, der musste damit rechnen, von blauen Bohnen durchsiebt zu werden, am Galgen zu baumeln oder an einem Baum aufgeknüpft zu werden. Irgendwann war für jeden Krummstiefel, Kopfgeldjäger und sonstiges Gelichter der Tag der Abrechnung angesagt. Die Guten siegen immer, dass weiß jeder, der je einen Western angeschaut hat. Dafür, dass die Guten siegen, kann ich echte Sympathie aufbringen, denn ich muss mir jeden Tag anhören, wie Umweltkranke diskriminiert und ihre Ärzte fertiggemacht werden.

Zustände wie im Wilden Westen
Im vergangenen August erreichte uns eine Meldung. In den USA sollte ein kapitaler Schlag gegen die Umweltmedizin verübt werden. Das Texas Medical Board (TMB) versuchte zu veranlassen, Professor William Rea, dem ersten Professor für Umweltmedizin weltweit und Gründer des renommierten Environmental Health Center in Dallas www.ehcd.com , die Lizenz zum Praktizieren zu entziehen.

Die Unterdrücker hatten aber diesmal nicht zu Ende gedacht und sich selbst überschätzt. Sie hatten voller Arroganz gedacht, die Rechnung geht immer auf, wenn man nur brutal genug auftritt und andere mit Nachdruck einschüchtert. So war es damals im Wilden Westen, wenn Banden über Wehrlose in Orten herfielen, sie ausplünderten und unterjochten. Über 50 texanische Ärzte hatten sie auf ihrer Liste und so manchem davon schon den Laden dichtgemacht und die Person zerbrochen. Doch was diesmal als kapitaler Schlag gegen die gesamte Umweltmedizin gedacht war, wurde für das TMB zum Verhängnis – dank Internet und networking vieler Aktivisten. Arztkollegen, Patienten aus aller Welt und viele umweltmedizinische Organisationen aus den USA und Europa traten in Aktion und bekundeten ihre Solidarität mit Professor William Rea. Im Internet lässt sich keine marode Telegraphenleitung durchknipsen.

Unverhoffte Unterstützung
Ein europäischer Solidaritätsbrief für Professor Rea wurde von 42 Organisationen und umweltmedizinischen Fachverbänden, vielen Ärzten, Wissenschaftlern, Medizin- journalisten und Umweltpatienten aus ganz Europa unterzeichnet. Auch Hiltrud Breyer, Mitglied des Europäischen Parlaments, brachte mit Ihrer Unterschrift ihre Solidarität gegenüber Professor Rea, der als einer der Gründer der Umweltmedizin gilt, zum Ausdruck. Einige Umweltärzte schrieben zusätzlich Solidaritätsbriefe an den texanischen Senat und das Texas Medical Board. Und die gemeinsamen internationalen Anstrengungen zeigten Wirkung. Der Senat von Texas berief eine Sitzung ein, bei der die Mitglieder des TMB und die betroffenen Ärzte angehört wurden. Diese Anhörung dauerte über 11 Stunden, sie kann über die Links im Anhang angehört werden. Eine Episode möchte ich Euch nicht vorenthalten, weil es meinen Arzt betrifft, der mir das Leben gerettet hat.

Senatsabgeordnete Debbie Riddle während der Zeugenvernehmung, an Prof. Dr. William Rea gerichtet:
„…Aber eines der Dinge, die mich absolut wütend machen; und ich sage es hier geradeheraus, sind die Leute hinter Ihnen und der Ausdruck in ihren Gesichtern, von solcher Arroganz, während ein Mann von Ihrem Charakter, mit Ihren Leistungen und Ihrer Würde hier sitzt, um auszusagen. Ihr Leute solltet Euch dringend schämen.“

Die Senatssitzung brachte sehr viel des groben Fehlverhaltens und der üblen Machenschaften des TMB ans Licht, denn nicht nur gegen Professor Rea hatte man Strategien zur Eliminierung durchgeführt, sondern noch gegen viele weitere für das TMB unliebsame Mediziner im Staate Texas. Einer der Hauptangeschuldigten half es nicht, mit süffisantem Gesicht dort zu sitzen und zu versuchen, die Senatsabgeordneten zu täuschen. Der Schweiß stand ihr im Gesicht und verriet ihren Stress. Nach einem anfänglichen Meineid rückte sie dann doch mit der Wahrheit heraus. Der Senat zieht daraus seine Konsequenzen und steht damit nicht alleine, denn ganz aktuell ist nun auch die Vereinigung der amerikanischen Ärzte und Chirurgen (AAPS) aktiv geworden. Der Medizinerverband hat das Texas Medical Board angezeigt und möchte damit den Ärzten ermöglichen, wieder voll für ihre Patienten eintreten zu können, ohne tyrannisiert und regelrecht verfolgt zu werden. Es wird Ruhe einkehren im Wilden Westen von Texas. So wie es aussieht, kann es sein, dass das gesamte Texas Medical Board aufgelöst wird. Eine Bande von Unterdrückern braucht es nicht. Und wie war das noch in den alten Western? Die Guten siegen immer und die Bösen erwischt es.

Pressemitteilung des AAPS vom 21.12.2007 in Übersetzung:

Ärzte verklagen das Texas Medical Board wegen Fehlverhaltens und prangern eine institutionalisierte Kultur von Vergeltung und Einschüchterung an

Das komplette Texas Medical Board (TMB) und seine offiziellen Mitarbeiter wurden in einer Klageschrift genannt, die von der Association of American Physicians and Surgeons (AAPS) [Vereinigung amerikanischer Ärzte und Chirurgen] eingereicht wurde. Die Beschwerde, die diese Woche beim Bezirksgericht in Texarkana eingereicht wurde, beschuldigt den Ausschuss/das Board des Fehlverhaltens bei der Ausübung seiner offiziellen Pflichten, insbesondere:

1. Manipulation anonymer Beschwerden;
2. dem Bestehen von Interessenkonflikten;
3. Verstoß gegen ordnungsgemäße Verfahrensweisen;
4. Verletzung der Privatsphäre; sowie
5. Vergeltungsmaßnahmen gegenüber denen, die sich wehren.

„Die Situation hat für Patienten und Ärzte einen kritischen Punkt erreicht“, sagte Jane M. Orient, M.D, geschäftsführende Direktorin der AAPS. „Unsere Mitglieder fürchten sich zu sehr vor Vergeltungsmaßnahmen, um den Ausschuss als Einzelpersonen zu verklagen.“

Die Klageschrift hebt insbesondere das Fehlverhalten von Roberta Kalafut hervor, der Präsidentin des Ausschusses. Die Klage behauptet, dass Kalafut „es arrangiert hat, dass ihr Ehemann anonyme Beschwerden gegen andere Ärzte einreichte, darunter ihre Konkurrenten in Abilene …“

Dann „… erwirkte sie innerhalb des TMB zusammen mit anderen Angeklagten die Disziplinierung von Ärzten auf der Grundlage anonymer Beschwerden, die von ihrem Ärzteehemann eingereicht worden waren.“

Außerdem beschuldigt die Klage Kalafut und Donald Patrick, geschäftsführender Direktor, von den Interessenkonflikten von Keith Miller gewusst zu haben, als dieser Vorsitzende des Disciplinary Process Review Committee [Komitee zur Überprüfung des Disziplinarprozesses] war. Miller diente als Zeuge der Anklage in mindestens 50 Fällen, die vor den Ausschuss gebracht worden waren, ohne dies gegenüber den disziplinierten Ärzten oder der Öffentlichkeit offen zu legen.

Im Verlauf eines elfeinhalbstündigen legislativen Marathonhearings über das TMB am 23 Oktober 2007 gaben Kalafut und Patrick unter Eid zu, das sie sich der Interessenkonflikte bewusst waren.

„Aufgrund der beeideten Aussage vor dem legislativen Komitee scheint es klar, dass sie von den Problemen wussten und alles in ihrer Macht stehende taten, um sie zu verbergen,“ sagte Dr. Orient.

Die Klageschrift verlangt, dass das Gericht missbräuchliches Verhalten des Ausschusses sofort stoppt und dass frühere Disziplinarmaßnahmen, die durch die Verfehlungen des Boards kompromittiert wurden, neu eröffnet werden.

„Die Ärzte in Texas sollten nicht gezwungen sein, in dieser Atmosphäre der Angst und Einschüchterung praktizieren zu müssen“, sagte Dr. Orient. „Beschwerden von unseren Mitgliedern haben das TMB als das wahrscheinlich schlimmste im ganzen Land identifiziert. Es ist schlecht für die Patienten, wenn ihre Ärzte Angst davor haben, dass, wenn sie das Richtige tun, es in einer Anfechtung ihrer Lizenz enden kann.“

Literatur:
Pressemitteilung AAPS, Doctors sue Texas Medical Board for misconduct – Cites institutional culture of retaliation & intimidation, 21. Dezember 2007 (Anm.: Sehr lesenswerte Kommentare von Ärzten im Anhang der Pressemitteilung)
http://www.aapsonline.org/newsoftheday/004

Anmerkung:
Das AAPS ist eine gemeinnützige Fachgesellschaft von Ärzten aller Fachrichtungen, die sich seit 1943 zum Schutz der Beziehung zwischen Arzt und Patienten verpflichtet hat.

Links zum Lesen, Anhören oder Ansehen:
Pressemitteilung AAPS, Doctors sue Texas Medical Board for misconduct – Cites institutional culture of retaliation & intimidation, 21. Dezember 2007: http://www.aapsonline.org/newsoftheday/004

Anklageschrift des AAPS: http://www.aapsonline.org/tmb/tmb-12-20-2007.pdf

11stündige Anhörung des Texas Medical Board TMB im Texas Senat zum Lesen: http://www.aapsonline.org/tmb/tmb-transcript.pdf

Anhörung des Texas Medical Board TMB im Texas Senat zum Ansehen als Videos:
http://www.house.state.tx.us/fx/av/committee80/71023a02r.ram

Weitere Audioversionen der Anhörung und einzelner Vernehmungen vor dem Senat: http://www.aapsonline.org/tmb.php


10 Kommentare zu “Zwölf Uhr mittags oder in Texas wird knallhart abgerechnet”

  1. Analytiker 31. Dezember 2007 um 15:16

    Gesichten aus dem Wilden Westen haben mich schon immer gefesselt und fasziniert. Es stimmt, die Guten gewinnen. So auch im wahren Leben.

    Dass es in Texas tatsächlich soweit gekommen ist, dass das Texas Medical Board (TMB), bei dem Versuch, Professor William Rea die Lizenz zu entziehen, kläglich gescheitert ist, deute ich als Schritt in die Gerechtigkeit. Ich wünsche, dass dem Umweltmediziner Dr. Binz, die gleiche Gerechtigkeit zuteil wird. Er wurde in diesem Jahr mit dem Zivilcouragepreis ausgezeichnet, den er sich redlich verdient hat. Gegen Dr. Binz wird auch mit fragwürdigen Methoden vorgegangen, um diesen für viele Interessengruppen „unbequemen“ Umweltmediziner auszuschalten. Ich wünsche mir sehr, dass die dafür Verantwortlichen in Deutschland ebenso an den Pranger gestellt werden, sie ebenfalls angeklagt werden, wie es in Texas aktuell gegen das Texas Medical Board geschieht. Gerechtigkeit muss siegen!

  2. Lagune 1. Januar 2008 um 11:58

    Was muss sich da abgespielt haben bei der Anhörung des Senats in Texas, dass die Abgeordnete so sehr aus der Haut gefahren ist. Gut, daß solches arrogante Verhalten gemaßregelt wurde. Es ist wirklich die Höhe, daß Umweltmediziner die sich einsetzen für Umweltkranke um die sich sonst keiner kümmert, noch verhöhnt werden.

    Was Du erzählst Analytiker hört sich verdammt ähnlich an. Ich kenne diesen Dr. Binz nicht. Ich habe nur das Blog darüber hier gelesen. Dem Mann sollte auch Hilfe gegeben werden.

  3. Silvia 1. Januar 2008 um 13:05

    Habt Ihr Euch das Video zu der Anhörung des Texas Medical Board vor dem Senat angeschaut? Man sieht schön wie die Leute, die Rea die Lizenz entziehen wollten unter Druck gerieten und ihre Fassade bröckelte.

  4. Analytiker 1. Januar 2008 um 13:45

    Das Video kann ich mir leider nicht anschauen, das Format ist nicht kompatibel mit meinem PC, aber die Nachricht des Ganzen sorgt bei mir dennoch für Genugtuung. Dass in der heutigen Zeit, Umweltmediziner und Chemikaliensensible dermaßen unterdrückt werden können und derartige Verbrechen unternommen werden, um die Umweltlüge aufrecht zu erhalten, ist schon der Hammer. Um so schöner sind diese tollen Meldungen, dass Gerechtigkeit siegt und endlich abgerechnet wird.

  5. Lagune 1. Januar 2008 um 16:32

    Für das Video mußt Du Dir den Realtime Player auf Deinen Rechner laden. Das Programm ist kostenlos zum downloaden im Net. Wenn man die Gesichter und Gestik anschaut, bekommt man noch einen intensiveren Eindruck. Das Protokoll über die 11 Stunden Anhörung überfliege ich auch, da kannst Du eine ganze Menge lernen über die Machenschaften die international die gleichen sind. Das wird bei Eurem Dr. Binz ähnlich gestrickt sein.

  6. Oscar 3. Januar 2008 um 19:51

    Endlich wird abgerechnet, hoffentlich nicht nur in Texas. In Deutschland gibt es ja einen ähnlichen Fall. Dr. Binz gebührt die gleiche Gerechtigkeit. Seit mehr als einem Jahr sind die Patientenakten beschlagnahmt. Ich wünsche mir, dass endlich auch in Deutschland Gerechtigkeit einkehrt und hoffentlich auch siegen wird. Nicht nur, dass die Betroffenen um ihre Ansprüche gebracht werden, dass man den ehrlichen Ärzten auch so übel mitspielt, ist ein Verbrechen an der Menschheit. Denn MCS kann jeder bekommen.

    Diejenigen, die die Existenz von Multipler Chemikalien Sensitivität so eifrig verleugnen, müssten einmal einen Tag in ihrem Leben, unter den geballten Symptomen dieser umweltbedingten Erkrankung, leiden. Dann würde sich vielleicht etwas verbessern. Das Ganze ist eine absolute Lüge im Bereich der Umweltmedizin in Deutschland, die mit System am Leben gehalten wird.

  7. Molly 5. Januar 2008 um 00:51

    Den Fall des Trierer Neurologen Dr. Binz kann man durch Schreiben von Leserbriefen unterstützen und somit einen gewissen Druck auf die Öffentlichkeit ausüben. Leider ist dort die Beteiligung nicht so stark, wie man sie eigentlich hätte erwarten können. Denn Dr. Binz hat sich all die Jahre für seine Patienten mit toxischen Schäden, sprich MCS (Multiple Chemikaliensensitivität)eingesetzt. Eingesetzt ist gar kein Ausdruck! Hier wäre nun die Möglichkeit ein bißchen davon zurückzugeben, Solidarität und Unterstützung zu bekunden und DANKE zu sagen. Aber leider passiert nicht viel in diese Richtung. Ich bin sehr enttäuscht!

    Für alle, die auch helfen möchten – Der nachfolgende Link zum Trierer Online-Magazin, 16 Vor, das über die Auszeichnung von Dr. Binz mit dem Zivilcouragepreis der Solbach- Freise Stiftung in Bodenwerder bei Hameln, berichtet:

    http://www.16vor.de/index.php/2007/11/23/unbeugsamer-mediziner/

  8. Molly 5. Januar 2008 um 01:05

    Ja Lagune, mit dem was Du schreibst, hast Du voll ins Schwarze getroffen, Dr. Binz sollte auch Hilfe gegeben werden.

    Er hätte wirklich ein besseres Leben verdient. Eins, in dem man ihm nicht so übel mitgespielt hätte. Ohne die Unterstützung seiner Familie wäre er sicher an dem ganzen Unrecht, was man ihm angetan hat, zerbrochen. Darum erachte ich es als äußerst hilfsam, wenn wenigstens verstärkter Einsatz bei den Leserbriefen, die man beim Trierer Online-Magazin 16 Vor schreiben kann, von unserer Seite kommen würde. Hier hätten wir die Chance, IHM endlich einmal zu helfen und zu ihm zu halten.

  9. Molly 25. Januar 2008 um 09:33

    Wie ich im CSN-Blog gelesen habe, versucht man nicht nur Prof. Rea und Dr. Binz auf übelste Art und Weise mitzuspielen. Bereits 2003 hat man den in Umweltkreisen bekannten Professor Rainer Frentzel-Beyme frühzeitig in Rente geschickt.

    http://www.csn-deutschland.de/blog/2008/01/20/umweltmedizin-patienten-mit-chemical-sensitivity-reagieren-schadstoffkonzentrationen-unterhalb-von-richtwerten/#more-74

    http://www.taz.de/index.php?id=archivseite&dig=2003/12/06/a0059

    Durch diese systematische Vorgehensweise wurde die Zahl der forschenden und kritischen Umweltmediziner reduziert.

  10. Daniel 25. Februar 2008 um 23:02

    Wie kommt es, dass nur in Texas abgerechnet wird und man in Deutschland das Thema MCS weiterhin unter den Teppich kehrt? Soweit ich weiß, laufen die Machenschaften gegen Dr. Binz auch weiterhin an und die Patientenakten sind immer noch beschlagnahmt.

    Wann begreifen die Verantwortlichen endlich, dass wir Menschen wie Dr. Binz dringend benötigen, die die wahren Krankheitsauslöser von MCS nicht verleugnen, sondern die Karten offen auf den Tisch legen und aufklären, dass vieles um uns herum gravierende Gesundheitsschäden verursachen kann.

    Im Gegensatz zu Texas läuft hier in Deutschland die Angelegenheit grundlegend falsch, praktisch genau anders herum. Hier kommen diejenigen ungeschoren davon, die dafür sorgen, dass diejenigen die Gutes tun, zur Vorsicht animieren und aufklären, praktisch kaputt gemacht werden.

    MCS ist existent, Verleugnen bewirkt viele neue Krankheitsfälle.

    Setzt dem Wahnsinn ein Ende.

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